Mit drei kleinen Kindern auf dem Weg zum Facharzttitel - Nora Bienz wollte von Christine Heigl wissen, wie man das alles unter einen Hut bringt

Christine Heigl, knapp 40-jährig und dreifache Mutter schloss 2006 ihr Medizinstudium in Bern ab. Zurzeit arbeitet sie 80% als Oberärztin auf der Notfallstation im Lindenhofspital. Nora Bienz wollte von ihr wissen, wie sie das Studium und die Assistenzzeit mit Kindern bewältigt hat, wie sie zu ihrer ersten Teilzeitstelle gekommen ist und ob sich die Einstellung gegenüber Teilzeitarbeit über die Jahre veränderte.

Du hast dein erstes Kind im dritten Studienjahr bekommen, das zweite dann während dem Staatsexamen. Du bist also mit 2 Kindern in die Assistenzzeit gestartet. War es damals schwierig eine Teilzeitstelle zu bekommen?

Ich habe mich als erstes in Teilzeit auf der Pathologie beworben, das war unproblematisch. Nach der Pathologie hatte ich mich aber für viele Stellen in der Inneren Medizin um ein 80% Pensum beworben und lauter Absagen bekommen. Schliesslich habe ich eine 100% Stelle in Solothurn angenommen.

War das dann auch der Grund warum du die nächsten Jahre 100% gearbeitet hast?

Ja, genau. Wir hatten dann Kita-Plätze und den Rest hat mein Mann abgedeckt. Ich habe in den darauffolgenden Jahren keinen Versuch mehr unternommen mein Pensum zu reduzieren.

Am Ende deiner Zeit in Solothurn kam das dritte Kind. War es kein Thema, dass dein Vertrag bis zum Ende des Mutterschutzes oder darüber hinaus verlängert werden würde?

Nein. Damals gab es zum Glück schon das Gesetz, dass die 14 Wochen Mutterschutz über die Ergänzungsleistungen bezahlt werden, danach habe ich mich arbeitslos gemeldet.

Und dann hast du dich auch mit 3 Kindern wieder auf 100%-Stellen beworben?

Ja, es war ja schon so schwierig genug als dreifache Mutter wieder eine Anstellung zu bekommen. Es ist ein eindeutiger Nachteil, da habe ich gar nicht erst versucht, mich erneut in Teilzeit zu bewerben. Nach zwei Jahren 100% stationärer Innerer Medizin war es dann einfacher – ich hatte ja bewiesen, dass ich auch mit 3 Kindern 100% arbeiten kann.

Auf dem Notfall war es dann wahrscheinlich einfach, Teilzeit zu arbeiten?

Ja, das ist wirklich kein Problem und puncto Teilzeit ein komplett anderes Klima. Am Sonnenhof auf dem Notfall arbeitet kein Facharzt 100%. Bei den Assistenten ist das anders, weil die meisten 100% arbeiten wollen. Grundsätzlich sind bei uns auf der Notfallstation aber Teilzeitstellen auch für Assistenzärzte möglich.

Wo siehst du die Nachteile in der Teilzeitarbeit bei Assistenzärzten?

Ich denke man muss unterscheiden, wie niedrigprozentig jemand arbeitet. Der Unterschied zwischen 50% und 80% ist erheblich. Als Berufsanfänger ist 80% sicher ein gutes Teilzeitpensum, 50% ist wahrscheinlich etwas wenig. Insgesamt überwiegen definitiv die Vorteile – man ist viel ausgeruhter und kompensierter als Teilzeitmitarbeiterin.

Viele Assistenzärzte leben nach dem Motto – zuerst den Facharzt machen und erst danach Kinder kriegen. Meinst du das macht Sinn? Oder ist das eine unnötige Sorge?

Ich glaube die Kinder sollen dann kommen, wenn sie kommen. Es ist ja ohnehin schlecht planbar. Erst nach dem Facharzttitel Kinder zu kriegen ist aber wahrscheinlich der Weg des geringeren Widerstands.

Warum gibt es so wenig Teilzeitstellen – warum ist das so harzig?

Das System ist wohl mit Teilzeit einfach noch etwas überfordert und die meisten Kliniken fürchten den Mehraufwand und die Planung von Mitarbeitenden in Teilzeit. Ich weiss auch nicht, ob die Forderung nach Teilzeit die richtige ist. Eigentlich müssten ja einfach die Arbeitsbedingungen so verbessert werden, damit die Leute auch mit einer 100% Stelle nicht ausbrennen. Mit 80% arbeitet ein Assistenzarzt ja nahezu so viel wie alle anderen Angestellten mit einem 100% Pensum, nämlich 40h/Woche.

Sind Teilzeitstellen stationär organisierbar?

Auf jeden Fall, aber ich denke, dass es meistens einen Mehraufwand für den Arbeitnehmer bedeutet aufgrund der Übergaben. Die Frage ist ja auch ob es im heutige Zeitalter Sinn macht an 5 Tage Wochen und dem Wochenende mit reduziertem Betrieb festzuhalten. In einem 7 Tagebetrieb wäre Teilzeitarbeit mit Sicherheit einfacher zu organisieren.

Das stimmt natürlich, wäre dann aber auch weniger familienverträglich…

Ja, das ist wohl so.

Hast du dein Traumpensum? Oder wie viel würdest Du arbeiten, wenn du völlig frei wählen könntest?

Dann würde ich auf 60% reduzieren (lacht).