Interview mit Thomas Horvath

«Bisher konnten wir prospektiv immer mit etwas Reserve über dem tatsächlichen Soll planen.» Durch den Spardruck in den Spitälern muss die Stellenbesetzung neuerdings streng im Soll bleiben. So können kurzfristige Kündigungen, Krankheitsausfälle, Schwangerschaft kaum noch ausgeglichen werden und die Abteilungen geraten regelmässig in Unterbesetzung. Hierzu und über weitere Herausforderungen bei der Dienstplanung haben wir mit Thomas Horvath, Spitalfacharzt I und Dienstplaner auf der Neurologie im Inselspital, gesprochen.

19.10.2023

0 Kommentar(e)

Thomas, wie bist du Dienstplaner geworden?
Ich habe das Amt vor fünf Jahren von meiner Vorgängerin übernommen. Bei uns auf der Neurologie am Inselspital ist die Dienstplanung seit zehn Jahren mit der Verantwortung für die Weiterbildung verbunden. Da die Unterabteilungen heute stärker aufgeteilt sind, hilft diese Kombination zur besseren Koordination und Professionalisierung. Für die Weiterbildung der Assistentinnen und Assistenten habe ich mich schon immer interessiert, daher spricht mich die Aufgabe sehr an. Es ist spannend, die Entwicklung der Assistenzärzt:innen über mehrere Jahre zu begleiten. Auch der administrative Teil hat seinen Reiz. Für dieses Amt sollte man Spass an persönlichen Gesprächen und Teamarbeit mitbringen – und gleichzeitig in der Lage sein, Konflikte diplomatisch zu lösen.

Woraus setzt sich deine Arbeit zusammen?
Wir sind für die langfristige Einteilung der Assistenz- und Oberärzt:innen zuständig – wir haben 52 Vollzeitäquivalente für Assistenzärzt:innen und 36 Kaderstellen. In der Halbjahresplanung teilen wir zweimal jährlich alle in die verschiedenen Rotationen ein und legen Urlaubs- und Fortbildungszeiten fest. Die Ärzt:innen haben betreffend ihrer Diensteinteilung somit eine Planungssicherheit von mindestens 3 Monaten. Diese Einteilung überprüfen wir monatlich.
Zusätzlich fallen noch Sitzungen, Bewerbungs- und Karrieregespräche an.
Weil wir neben der Betten- und der Notfallstation und Stroke-Unit mit der Funktionsdiagnostik (EEG, Schlaf, ENMG, NVUS), spezialisierte Fellowships, verschiedenen Forschungsbereiche und Rehabilitationsabteilungen abdecken, können wir besonders viele verschiedene Rotationen anbieten.

Wie viele Stellenprozente sind für die Dienstplanung vorgesehen?
Meine Vorgängerin hatte ein 50-Prozent-Pensum. Beim Wechsel haben wir uns dann für eine Aufteilung der Verantwortlichkeiten entschieden: Ich habe 20-30 Stellenprozent für die Dienstplanung und bekomme dafür regelmässig Administrationstage eingeplant. Dazu hat mein Stellvertreter zehn Stellenprozent für die Dienstplanung. In der konkreten Ausarbeitung des Planes unterstützten uns aktuell zwei administrative Mitarbeiter:innen. Das ist ein echter Vorteil, weil wir administrativ entlastet werden und uns gegenseitig ergänzen.

Es gibt ja keinen Zusatztitel „Dienstplaner“. Wie hast du dir das Wissen angeeignet?
Vieles in der Dienstplanung ist komplex und „learning by doing“. Ich habe in den letzten Jahren noch die Zusatzausbildung zum MBA (Master of Business Administration) gemacht. Personalplanung und HR-Themen im Bereich Medical Management wurden im Rahmen dieser Ausbildung behandelt, was sehr hilfreich war. Von Vorteil sind auch klare Vorgaben und Handbücher, nach denen sich alle richten können. Unsere Klinikleitung unterstützt auch entsprechende Weiterbildungen.

Wie integrierst du Teilzeitmitarbeitende in den Dienstplan?
Teilzeit ist bei uns sehr beliebt, auch die Klinikleitung unterstützt dies explizit. Auf Assistenzarzt-Ebene arbeitet die Mehrzahl der Kolleg:innen in Teilzeit, aktuell 29. Auf Kaderebene sind es 15 – und zwar nicht nur bei den jüngeren Mitarbeitenden. Wir haben verschiedene Teilzeit-Modelle: Es gibt Anstellungen zwischen 50 und 90 Stellenprozent, entweder mit einem fixen Wochenpensum oder mit entsprechend mehr Urlaubstagen. Die Anstellung kann auch in einen klinischen und einen Forschungsanteil aufgesplittet werden. Zusätzlich gibt es natürlich auch das „klassische“ Jobsharing.
Gerade in einer grossen Abteilung geben Teilzeitstellen mehr Flexibilität und lassen sich gut in den Dienstplan integrieren. Hier bedarf es aber sicherlich einer gewissen Erfahrung. Bei kurzfristigen Ausfällen haben wir fixe Spingerdienste eingeplant. Zusätzlich können wir Kolleg:innen, die klinisch und in der Forschung arbeiten, temporär aus der Forschung abziehen und im klinischen Bereich einsetzen und die Tage zu einem späteren Zeitpunkt zurücktauschen. Manchmal stockt jemand kurzfristig auf oder wechselt die Arbeitstage, wenn das von der Lebensplanung her möglich ist. Das gleichen wir zu einem späteren Zeitpunkt wieder aus.
Die Möglichkeit der Teilzeitarbeit wird vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels immer wichtiger. Sie ist ein klarer Wettbewerbsvorteil für die Arbeitgeber:innen, die sich für die Insel Gruppe bewährt hat.

Wie integriert ihr die Weiterbildung in die Dienstplanung?
Wir haben ein grosses Weiterbildungsangebot, insbesondere auch mit internen Fortbildungen. Grundsätzlich werden die Assistenzärzt:innen so eingeteilt, dass sie regelmässig daran teilnehmen können. Seit der Pandemie werden Fortbildungen aufgezeichnet und können auch nachträglich angeschaut werden. Leider kommt es trotzdem immer wieder vor, dass die Angebote aufgrund der hohen Arbeitslast nicht wahrgenommen werden können. Bekannterweise arbeitet die Ärzteschaft leider immer noch sehr viel – wie ja in der letzten VSAO-Umfrage deutlich wurde. Insgesamt können wir das Arbeitszeitgesetz und den GAV bei uns einhalten. Durch die vorgegebenen Personalobergrenzen haben wir aber leider im Moment wenig Spielraum.

Wie gewährleistet ihr die implizite Weiterbildung?
Neben verschiedenen Rapporten, Kolloquien und dem dezidiertem Bed-Side-Teaching finden jeden Morgen strukturierte Fortbildungen statt. Fallvorstellungen, Journal-Clubs und nach themengebieten strukturierte Weiterbildungen werden je nach Wochentag im Wechsel angeboten. Daneben können diverse interne Nachmittagsveranstaltungen (z. B. Grand Rounds) besucht werden, bei welchen der Besuch vorher mit den Unit-Leitern abgesprochen wird. Der Besuch der Morgenfortbildungen ist für Assistenzärzt:innen obligatorisch. Wir bauen hier allerdings auf Selbstverantwortung und führen keine Kontrollen durch.

Ist das Modell „42 plus 4“ eine Option?
„42 plus 4“ ist bei uns in Diskussion. Ich befürworte dieses Konzept. Eine zwingende Voraussetzung ist aber, dass dafür auch mehr personelle Ressourcen auf ärztlicher Seite zur Verfügung gestellt werden. Die gleiche Arbeit kann nicht in weniger Zeit erledigt werden. Das wiederum scheint momentan schweizweit aufgrund der finanziellen Lage der Spitäler schwierig zu sein. Hier muss Unterstützung von der Politik kommen.

Habt ihr bei der Dienstplanung Vorgaben aus der Geschäftsleitung?
Alle strategischen Entscheidungen wie Beförderungen, Vertragsverlängerungen oder Neueinstellungen und Änderungen der Stellenprozente werden bei uns im Personal-Board mit Mitgliedern der Klinikleitung beschlossen.
Aufgrund des Kosten- und Spardrucks sind die vorgegebenen Personalobergrenzen klarer und auch enger definiert als noch vor ein paar Jahren. Das führt dazu, dass wir neue Stellen oder Neubesetzungen formell beantragen müssen, was zusätzlichen administrativen Aufwand im Planungsteam bedeutet. Bei guter Begründung und betrieblicher Notwendigkeit werden die Anträge jedoch bewilligt.
Bisher konnten wir prospektiv immer mit etwas Reserve über dem tatsächlichen Soll planen. Das hatte den Vorteil, dass wir Fluktuation aufgrund von Kündigungen, Krankheitsausfällen, Schwangerschaft und zudem kurzfristige Ausfälle meist gut abfedern konnten. In der aktuellen Lage müssen wir in einem solchen Fall aber zwischenzeitlich auch mal in Unterbesetzung arbeiten – vor allem die ambulanten Bereiche sind davon betroffen, weil die Bereiche mit dezidiertem Versorgungsauftrag (Notfall- und Bettenstationenen, Stroke Unit) Priorität haben. Das führt zu hohen planerischen Herausforderungen und kann teilweise Unzufriedenheit auslösen bei den unterbesetzten Abteilungen und denjenigen, welche bei kurzfristigen Ausfällen einspringen müssen.

Wie geht ihr mit Überstunden/-zeit um?
Wir versuchen, Überzeit, wenn immer möglich, kompensieren zu lassen. Teilweise bauen wir in den einzelnen Subunits bereits automatisch Zeitkompensationen ein. Die Mehrheit der Mitarbeiter:innen bevorzugt in Hinblick auf eine bessere Work-Life-Balance eine Kompensation gegenüber der Auszahlung. Leider ist eine Kompensation aufgrund der erwähnten engen Planung nicht immer möglich. In diesem Fall definieren wir im Personalboard gemeinsam mit der Klinikleitung am Jahresende eine gewisse Obergrenze von Überzeiten, ab welcher eine Auszahlung stattfindet, um eine zu grosse Kumulation im nächsten Jahr zu vermeiden.

Werden euch die aktuellen Spitalschliessungen bzgl. DP betreffen?
Wir konnten hierdurch zwei Assistenzärztinnen für unsere Abteilung „gewinnen“. Die Dienstplanung wird ansonsten kaum betroffen sein. Allerdings werden wir sehen, wie sich auch für die Neurologie das Patientenaufkommen auf dem Notfall verändert. Verlegungen unserer neurologischen Patient:innen auf die Geriatrie sollen intern abgefedert werden.

Würdest du das Amt wieder übernehmen?
Ja definitiv, insbesondere in Kombination mit der Verantwortung für die Weiterbildung. Von administrativer Seite würde ich mir mehr Flexibilität und weniger strenge Rahmenbedingungen wünschen, um die unterschiedlichen Bedürfnisse der Angestellten besser berücksichtigen zu können.

Das Interview wurde am 22.07.2023 geführt von Nora Höger, Kommunikationsverantwortliche VSAO Bern.

Kommentare

Noch kein Kommentar veröffentlicht.

Beteiligen Sie sich an der Diskussion