Interview mit Susanne Nüesch

Im Schichtbetrieb ist die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes eine besondere Herausforderung. Wie schaffe ich es, den Mitarbeitenden ausreichend Kompensation einzuplanen und gleichzeitig keine Berge an Minusstunden zu generieren? Darüber haben wir uns mit Susanne Nüesch, Spitalfachärztin UNZ Inselspital und Verantwortliche Dienstplanung der Assistenzärzt:innen unterhalten.

26.10.2023

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Susanne, wie bist du Dienstplanerin geworden?
Ich habe das Amt vor 10 Jahren eher zufällig von meinem Vorgänger übernommen – obwohl ich keinerlei Erfahrungen mitbrachte.

Wie ist die Stellensituation bei euch auf dem Notfall?
Ich bin für die Dienstplanung der Assistenzärzt:innen zuständig. Wir haben 34 Vollzeitäquivalente, aufgeteilt auf 44 Kolleg:innen. Bei uns können Mitarbeitende jedes Pensum zwischen 50 und 100 Stellenprozent wählen. Während 24 Stunden müssen 16 Dienste abgedeckt werden. Fast jeden Tag ist ein:e Kolleg:in für einen Bürotag eingeplant – diese Person ist unser:e Springer:in bei kurzfristigen Ausfällen.
Einmal im Monat tausche ich mich mit den Kolleg:innen aus, die die Dienstpläne für die Oberärzt:innen und den Fast Track erarbeiten. Auch unser übergeordneter Dienstplan-Verantwortlicher ist immer mit dabei. Jeden zweiten Monat können die Assistenzärzt:innen bei einem Austausch Kritik und Änderungswünsche platzieren. Dadurch entstehen viel Akzeptanz und Vertrauen. Aufgrund von solchen Feedbacks haben wir einen Nachtdienst etwas vorgezogen und einen Zwischendienst während der Rapportzeiten eingeführt, wodurch die Übergabezeiten verbessert werden konnten.

Wie viele Stellenprozent sind für die Dienstplanung vorgesehen?
Ich habe zwischen 10 und 20 Prozent dafür zur Verfügung. Das entspricht etwa drei Admintagen pro Monat. Frei-, Ferien- und Fortbildungswünsche werden vom Sekretariat in der Personaleinsatzplanung eingegeben und von mir nur noch überprüft.

Es gibt keine Ausbildung zur Dienstplanerin. Wie hast du dir das nötige Wissen angeeignet?
Damals wurde ich ziemlich ins „kalte Wasser“ geworfen. Zum Glück konnte ich mich schon immer mit meiner Kollegin austauschen, die den Dienstplan für die Oberärzt:innen erstellt. Zusätzlich habe ich eine Weiterbildung in Personaleinsatzplanung gemacht, da allein das Computersystem viele Tücken hat.
Am wichtigsten finde ich, dass man sich für die Dienstplanung genügend Zeit einplant und nicht „schnell-schnell“ etwas zusammenschustert. Beim letzten „Dienstplaner-Workshop“ des VSAO Bern durfte ich mein Wissen als Praxis-Referentin weitergeben. Diese Möglichkeiten zum Austausch sind sehr wertvoll, weil die Dienstplanung immer wichtiger wird, denn: Ein guter Dienstplan ist entscheidend für Mitarbeiterzufriedenheit und hat grossen Einfluss auf die Entscheidung von Stellensuchenden.
Im Vergleich zu früher hat die Komplexität der Dienstplanung massiv zugenommen. Einerseits waren wir früher ein viel kleineres Team. Andererseits sind die Ansprüche der jüngeren Mitarbeitenden in Bezug auf die Work-Life-Balance deutlich höher.

Wie integrierst du Teilzeitmitarbeitende in den Dienstplan?
Für den 24-Stunden-Betrieb sind Teilzeitmitarbeitende deutlich einfacher einzuplanen als Vollzeitstellen. Denn eine Vollzeitkraft muss an fünf von sieben Tagen arbeiten - was aber wegen der vorgeschriebenen Kompensationszeiten im Schichtbetrieb schlicht nicht möglich ist. So entstehen zwangsläufig Minusstunden. Hier gilt es, die Dienste möglichst gerecht entsprechend der Pensen zu verteilen.

Wie integriert ihr die Weiterbildung in die Dienstplanung?
Das ist im Schichtbetrieb eine Herausforderung, die wir nicht immer optimal lösen können. Für Nacht- und Frühdienst gibt es jeweils nach dem Morgenrapport ein Fortbildungsangebot. Zusätzlich bieten wir halb- oder ganztägige Workshops an, zum Beispiel zu den Themen Ultraschall oder Schockraumsimulation.

Wie gewährleistet ihr die implizite Weiterbildung?
Durch den dynamischen Betrieb und den hohen Patientenumsatz können unsere Kaderärzt:innen im Klinikalltag viel Teaching am Patienten anbieten, wie Fallbesprechung, Ultraschall, Interventionen etc.

Ist das Modell „42 plus 4“ eine Option?
Wir orientieren uns bereits an einer 46-Stunden-Woche.
Für den Schichtbetrieb ist das deutlich praktikabler.

Habt ihr bei der Dienstplanung Vorgaben aus der Geschäftsleitung?
Ich bin recht frei in meiner Arbeit. Die grösseren Personalentscheidungen und Diskussionen mit der Spitaldirektion übernimmt mein Vorgesetzter.
Wir sind im Vergleich mit vielen anderen in der Lage, auf die steigenden Patientenzahlen zu reagieren. So konnten wir zum Beispiel wegen des steigenden Patientenaufkommens auf dem Notfall die Nachtdienste in den letzten Jahren steigern. Und wir finden in der Regel schnell Ersatz für freiwerdende Stellen.

Wie geht ihr mit Überstunden/-zeit um?
Da die Dienste auf der Notfallstation recht gut geregelt sind, fallen bei uns relativ wenige Überstunden an.

Werden euch die aktuellen Spitalschliessungen bzgl. Dienstplanung betreffen?
Davon ist auszugehen. Wir können zwar mit dem aktuellen Personal ein gewisses Mehr an Patienten abfedern, werden aber vermutlich im Verlauf aufstocken müssen.

Würdest du das Amt wieder übernehmen?
Ja, auch wenn es eine Art Hass-Liebe ist. Aber es ist sehr zufriedenstellend, wenn man einen guten Dienstplan erstellt hat. Und man bekommt direkte Rückmeldungen zur Arbeit.

Das Interview wurde am 09.08.2023 geführt von Nora Höger, Kommunikationsverantwortliche VSAO Bern.

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