Interview mit Nicolas Arnold

Nicolas Arnold ist Assistenzarzt im siebten Jahr an der Klinik für Urologie am Inselspital Bern. Er ist 33 Jahre alt, in einer festen Partnerschaft und ohne Kinder. Berufseinstieg März 2016.

10.11.2022

Barbara Schwede

0 Kommentar(e)

Warum möchtest du Urologe werden?
Für Urologie habe ich mich entschieden, weil es ein chirurgisches, eher kleines und dennoch sehr vielseitiges Fachgebiet ist. Mit Niere, Harnleiter, Harnblase, Harnröhre, Prostata und dem äusseren Genitale ist die Anzahl der zu behandelnden Organe überschaubar, deren chirurgische Behandlung – ob offen, laparoskopisch oder endoskopisch – jedoch sehr unterschiedlich. An der Urologie gefällt mir zudem, dass es ein Fachgebiet ist, bei dem man Patient:innen häufig von der Diagnostik über die Behandlung bis zur Nachsorge betreut. Gegen Ende des Studiums hätte ich mir Gynäkologie als Alternative vorstellen können, da es ebenfalls ein chirurgisches und sehr abwechslungsreiches Fachgebiet ist. Insbesondere die mit der Geburtshilfe verbundenen Dienste waren für mich letztlich aber ein Argument gegen diese Fachrichtung.

Wie sieht dein typischer Arbeitsalltag aus?
Mein Alltag im Spital hängt logischerweise stark vom Dienstplan ab und variiert entsprechend von Woche zu Woche. An Sprechstundentagen sehe ich rund 10 bis 16 Patient:innen, bei denen ich Untersuchungen durchführe, weitere Abklärungen in die Wege leite, Therapien bespreche oder Operationen plane. An Operationstagen bin ich meist den ganzen Tag im Operationssaal und assistiere und operiere Eingriffe mit einer Dauer zwischen einer und sieben Stunden. Daneben mache ich spezielle Sprechstunden wie urodynamische Untersuchungen (Blasenfunktionsuntersuchung), Röntgendiagnostik oder reguläre Katheterwechsel. Weiter gibt es die Betreuung der stationären Patient:innen, was in unserer Klinik unter der Woche jedoch Aufgabe der jüngeren Assistenzärztinnen und -ärzte ist. Abgesehen vom regulären Arbeitstag sind alle Ärztinnen und Ärzte zu Diensten eingeteilt, mit denen die Versorgung urologischer Notfallpatient:innen gewährleistet wird.

Was sind die besonderen Herausforderungen deines Fachgebiets?
Konkret zur Ausbildung in der Urologie fallen mir zwei Dinge ein: Wie bereits eingangs erwähnt, ist Urologie ein eher kleines Fachgebiet, das nicht in jedem Spital mit einer eigenen Klinik vertreten ist. Entsprechend überschaubar sind urologische Ausbildungskliniken in der Schweiz. Der Weg zum Facharzt respektive die Wahl der einzelnen Kliniken muss entsprechend sorgfältig geplant werden, da man keine allzu grosse Auswahl hat. Hinzu kommt, dass es auf dem Weg zum Facharzttitel – wie in allen chirurgischen Fächern – einen Operationskatalog zu erfüllen gilt. Abgesehen von der Dauer von sechs Jahren ist dies sicher die grösste Herausforderung auf dem Weg zum Facharzt.

Wie hast du deine Stellen geplant?
Meine erste Stelle als Assistenzarzt war auf der Allgemeinchirurgie des Bürgerspitals Solothurn. Mit etwas Glück haben sich dort erste Kontakte zur urologischen Klinik ergeben, die mir zu meiner ersten Stelle an einer urologischen Klinik verholfen haben. Meine aktuelle Stelle am Inselspital Bern verdanke ich hauptsächlich dem Umstand, dass ich hier einen Teil meines Wahlstudienjahrs verbracht und anschliessend auch meine Dissertation geschrieben habe. Obwohl ich bereits im Voraus einen gewissen Plan im Kopf hatte, haben sich meine bisherigen Stellen meist durch persönliche Kontakte ergeben.

Gibt es Vorurteile der Urologie gegenüber?
Die grössten beiden Vorurteile gegenüber der Urologie sind sicherlich, dass nur Männer zum Urologen oder zur Urologin gehen und dass sich Urolog:innen nur mit dem äusseren Genitale des Mannes beschäftigen. Beides ist falsch. Da sich die Urologie mit praktisch sämtlichen Pathologien des Harntrakts befasst, kommen auch viele Frauen zu uns. Wenn es zum Beispiel um bösartige Erkrankungen des Harntrakts geht, nimmt die Anzahl an Patientinnen zu – da auch Frauen zunehmend rauchen. Erkrankungen wie Nierensteine oder funktionelle Probleme können im weiblichen Harntrakt genauso auftreten wie im männlichen. Auch neurologische Erkrankungen wie beispielsweise Multiple Sklerose oder traumatische Rückenmarksverletzungen bringen häufig urologische Probleme mit sich, egal ob beim Mann oder bei der Frau.

Wie geht es dir mit der Work-Life-Balance?
Work-Life-Balance ist wohl für ganz viele Assistenzärztinnen und -ärzte ein schwieriges Thema. Das ist bei mir, in einem chirurgischen Fach an einer Universitätsklinik mit Dienstbetrieb, nicht anders. Gerade in den chirurgischen Fächern ist es häufig fast nicht möglich, gleichzeitig einerseits viel zu lernen und zu operieren und andererseits genügend Zeit für eine erfüllende Freizeit zu haben. In vielen und insbesondere chirurgischen Kliniken wird häufig suggeriert, dass sich fachliches Wissen und operatives Können nur mit Arbeitszeit und Erfahrung erreichen lassen. Ich hingegen bin überzeugt, dass Menschen mit ausgewogener Work-Life-Balance am Arbeitsplatz motivierter und effizienter sind. Entscheidet man sich nach dem Studium für ein chirurgisches Fachgebiet, sollte man sich dieser Problematik im Voraus bewusst sein. Das heisst jedoch nicht, dass man gewisse Umstände stillschweigend tolerieren sollte.

Welche Ratschläge gibst du jüngeren Kolleg:innen?
Insofern man sich sicher ist, welchen Facharzttitel man anstreben möchte, hilft eine gute Planung im Voraus. Gerade in kleineren Fächern, in denen die Ausbildungsstellen sowie -kliniken limitiert sind, lohnt es sich, frühzeitig zu überlegen, welche Kliniken zu einem späteren Zeitpunkt infrage kommen. Aus meiner Sicht ebenfalls wichtig ist das frühzeitige Knüpfen von Kontakten, sowohl innerhalb als gegebenenfalls auch ausserhalb der eigenen Klinik. Die Schweizer Spitälerlandschaft ist überschaubar. Es lohnt sich, möglichst viele Leute zu kennen.

Welche Tipps hast du zum Operationskatalog?
Dafür gibt es leider kein Patentrezept. Wie gut man seinen Operationskatalog erfüllen kann, hängt von ganz vielen Faktoren ab. Aus meiner Sicht lohnt es sich auch hier, eher langfristig zu planen. Ich zumindest habe gute Erfahrungen damit gemacht, der jeweiligen Klinik möglichst früh zu kommunizieren, dass ich gern länger bleiben würde. Assistenzärztinnen und -ärzte, die mehr Zeit an einem Ort verbringen wollen, sind tendenziell gesucht und werden meist auch entsprechend gefördert.

Wo willst du in zehn Jahren stehen?
Das Arbeiten in grossen Teams und mit komplexen Fällen macht mir Spass. Ich kann mir daher gut vorstellen, auch in zehn Jahren noch im Spital an einer urologischen Klinik zu arbeiten.

Kommentare

Noch kein Kommentar veröffentlicht.

Beteiligen Sie sich an der Diskussion