Interview mit Christa König

Wir trafen Christa König online für ein Interview im Rahmen unserer Kampagne #BerufseinstiegMedizin. Die 32-jährige ist angehende Pädiaterin mit Spezialisierung in Hämatologie/Onkologie und hat einen MD-PhD in pädiatrischer Hämato-Onkologie.

25.01.2022

Eveline Tissot

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Warum hast du dich für Medizin entschieden?
Für mich war es immer wichtig, mich mit meinem Beruf identifizieren zu können, und mit Menschen, beziehungsweise Kindern, zu arbeiten. Als ich Vollzeit forschte, fehlte mir der Kontakt zu den Patient:innen. Mein Herz schlägt für die Kinderonkologie. Wir bieten den Familien von schwerkranken Kindern einen sicheren Hafen und begleiten sie über längere Zeit. Ich weiss, dass ich etwas Sinnvolles tue. Die Kombination mit der Forschung bietet mir ausserdem eine intellektuelle Herausforderung.

Gab es einen Schlüsselmoment für die Wahl deines Fachärzt:innen-Titels?
Bei einem Karriereplanungsgespräch riet man mir, zuerst ein Jahr in die Kinderchirurgie zu gehen, da es schwierig ist, direkt nach dem Staatsexamen eine Anstellung in der Pädiatrie zu bekommen. In meinem ersten Assistenzjahr arbeitet ich auch auf dem Kindernotfall und wir diagnostizierten bei einem Kind, das plötzlich nicht mehr laufen konnte, einen Hirntumor. Das war für mich sehr eindrucksvoll und so bin ich auf die pädiatrische Onkologie aufmerksam geworden.

Wie hast du deine Stellen geplant? Was hat dich motiviert?
In der Kinderchirurgie konnte ich erste Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern sammeln. Dort lernte ich, wie man Verbände wechselt und wurde mit den Kliniken vertraut. Daher war diese Stelle ein idealer Start ins Berufsleben. Danach habe ich mich in der Pädiatrischen Klinik beworben und direkt gefragt, ob ich eine Rotation auf der Kinderonkologie bekomme. Die Arbeit hat mir sehr gut gefallen, es war aber auch intensiv und ich zeigte viel Einsatz.

Was gefällt dir an der pädiatrische Onkologie?
Bei Kindern kann man in der Onkologie sehr viel erreichen. Die Therapien sind zwar intensiv, führen aber oft zu guten Ergebnissen, beispielsweise bei Leukämien. Mir gefällt es, Kinder und ihre Familien über lange Zeit zu betreuen und in der Nachsorge die Entwicklungsschritte die Kinder zu sehen. Man baut tiefere Beziehung zu den Familien auf, bezieht zahlreiche Spezialist:innen ein und behält die medizinische Situation der Kinder im Blick. Es ist sehr ein komplexes Feld – daher ist die Teamarbeit besonders wichtig und spannend.

Wie bist du darauf gekommen, einen PhD zu machen?
Mein PhD-Betreuer hat mich während meiner Anstellung auf der Kinderonkologie gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Darüber hatte ich nie nachgedacht und deshalb nahm ich mir für die Entscheidung genügend Zeit. Statistik finde ich spannend und ich wollte forschen. Während der MD-PhD Zeit wurde dann meine Anfrage für einen Auslandseinsatz mit Médecins Sans Frontières bewilligt.

Wann sollte man mit dem PhD beginnen?
Längere klinische Arbeit ist sehr hilfreich, wenn man später in die Forschung möchte. Das half mir auch bei der Entscheidung für das klinische Fach. Direkt nach dem Studium hätte ich mich noch nicht für die pädiatrische Onkologie entschieden. Nun kann ich in meinem klinischen Fach forschen und mein Wissen für die Klinik vertiefen. Umgekehrt kann ich Fragen aus der Klinik in die Forschung einbringen. Eine Zeitlang Vollzeit zu forschen ist meiner Ansicht nach sehr sinnvoll, denn es braucht eine gewisse Zeit, bis man sich richtig mit der Materie vertraut gemacht hat.

Kann man Teilzeit forschen?
Ja, das kann man schon. Allerdings empfehle ich, mit hundert Prozent zu beginnen, damit man sich das nötige Know-how aneignen kann. Nach dem PhD möchte ich zehn oder zwanzig Prozent an unseren laufenden Projekten weiterforschen, zuerst allerdings ohne Anstellung, also gratis. Danach will ich mich für eine Forschungsanstellung neben der klinischen Anstellung bewerben oder sehen, ob meine Forschung über staatliche Forschungsgelder finanzierbar ist. Die Finanzierung in der Forschung ist oft kompliziert. Manche Projekte sind einem allerdings so wichtig, dass man sie nicht aufgeben möchte – auch wenn man nicht dafür bezahlt wird.

Du warst mit Médecins Sans Frontières in Tansania?
Ich hatte das Glück, für den Einsatz bei Médecins Sans Frontières meinen PhD für sechs Monate pausieren zu können. Im März 2020 reiste ich nach Tansania, um dort in einem Flüchtlingscamp als Pädiaterin zu arbeiten. Die medizinische Versorgung der Geflüchteten war lediglich durch Médecins Sans Frontières sichergestellt, die Arbeit war intensiv und bei den Geflüchteten aus Burundi, die Kirundi sprechen, nur mit Dolmetscher:innen möglich.

Wie bist du zu dieser Anstellung bei Médecins Sans Frontières gekommen?
Bei Médecins Sans Frontières kann man nicht auswählen, wo man eingesetzt wird. Man kann ein Angebot einfach annehmen oder ablehnen, da manche Einsätze gefährlich sind – beispielsweise in Kriegsgebieten. Tansania ist eine stabile Region. Das machte es meiner Familie einfacher, mich ziehen zu lassen. Partnermissionen sind bei Médecins Sans Frontières erst in höheren Positionen und mit mehr Erfahrung erlaubt. Somit war klar, dass mein Partner mich nicht begleiten durfte. Aufgrund der Pandemie war ihm auch ein Besuch nicht möglich. Trotzdem hat er mich voll und ganz unterstützt. Wahrscheinlich war es die schwierigste Entscheidung meines Lebens, diese Mission anzunehmen. Ich denke, man sollte sich nicht gegen eine Überzeugung entscheiden, nur weil die Umsetzung schwierig ist.

Deine Haltung und Organisation punkto Work-Life-Balance? Teilzeit?
Ich bin sehr belastbar. Phasenweise habe ich enorm viel gearbeitet und mich in dieser Zeit auch in meiner Freizeit nur auf das Wichtigste konzentriert. Korbball ist mir besonders wichtig – also habe ich für Matches meine Freiwünsche eingegeben. Für Trainings bin ich früher von der Arbeit gegangen und habe dann am Folgetag die liegengebliebenen Berichte geschrieben.

In einem Team ist es wichtig, immer einzuspringen, wenn man kann. Dann wird es auch besser akzeptiert, wenn man wegen eines wichtigen Grundes wie einem Match oder einer Hochzeit mal nicht aushelfen kann. Planungsprobleme sollte man im Team anschauen und gemeinsam eine Lösung finden.

Wie bist du mit der maximalen Soll-Arbeitszeit umgegangen?
Es gab sicherlich Zeiten, in denen meine Arbeitsbelastung nicht gesund war, aber immer nur phasenweise. Natürlich wird es von Vorgesetzten geschätzt wenn man viel arbeitet, was eigentlich nicht sein sollte. Aber da es bei mir nie einen chronischen Zustand der Überlastung gab, da es mir immer gut ging und ich zu meiner Regeneration kam, musste ich mich nie gegen die Arbeitssituation wehren. Ich habe allerdings von vielen Kolleg:innen gehört, bei denen die Zustände nicht tragbar waren.

Wie bringst du Freizeit, Familie und Beruf unter einen Hut?
Während der klinischen Tätigkeit blieb neben der Arbeit nicht viel Zeit für anderes. Die Familie meines Partners fragt mich manchmal an Familienfesten: “Bist du nicht am Arbeiten?” Im PhD hat man deutlich mehr Freiheiten. Es ist zentral, Prioritäten zu setzen und gut zu planen. Bisher hatten für mich die Arbeit und das Korbballspiel oberste Priorität, dafür blieben vielleicht mal Aktivitäten mit Kolleg:innen auf der Strecke. In der Beziehung sind Kompromisse wichtig, und dass man Planungsentscheidungen gemeinsam trifft.

Was möchtest du jüngeren Kolleg:innen zu ihrer Karriereplanung mit auf den Weg geben?
Ich empfehle, nach dem Studium die klinische Tätigkeit an einem grösseren Spital zu starten. Ich fühlte mich dort besser betreut und denke, auch die Patientensicherheit war dadurch besser. Mit Menschen zu sprechen, die mir bei Karriereschritten voraus waren, fand ich immer hilfreich. Ich empfehle auch, früh zu schauen, in welche Richtung es gehen soll, aber offen zu bleiben für neue Ideen, wie beispielsweise bei mir dem PhD. Für eine zufriedenstellende Karriere braucht es wohl etwas Glück, viel Einsatz und die richtige Einstellung. Einen guten Mentor zu finden, war bei mir ebenfalls wesentlich.

Wo willst du in zehn Jahren stehen?
Ich will dann gerne Teilzeit als klinische Oberärztin auf der Kinderonkologie der Kinderkliniken Bern arbeiten und ausserdem forschen. Persönlich möchte ich eine Familie mit mehreren Kindern. Bei Médecins Sans Frontières arbeite ich vielleicht später auch wieder, aber erst, wenn die Kinder meine Anwesenheit nicht mehr brauchen.

Möchten Sie Christa König direkt kontaktieren? Sie steht gerne für Fragen zur Verfügung. Bitte melden Sie sich bei uns via , wir leiten Ihre Nachricht an Frau König weiter.

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