Interview mit Carine Houriet

Carine ist Dermatologin in einer Gemeinschaftspraxis in Bern. Sie ist 36 Jahre alt und verheiratet. Sie arbeitet 60 Prozent, ihr Mann 80 Prozent. Gemeinsam haben sie drei Kinder im Alter von 2, 4 und 7 Jahren.

18.07.2022

Barbara Schwede

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Warum bist du Dermatologin geworden?
Das war ein Zufall: Im letzten Studienjahr entschied ich mich für ein einmonatiges Praktikum im Bereich Dermatologie im Kantonsspital Luzern – weil man Dermatologie nicht so gut aus Büchern lernen kann. Mein Chef dort konnte mich so sehr für das Fach begeistern, dass ich zuerst weitere Praktika in diesem Bereich absolvierte und schliesslich den Weg zur Dermatologin einschlug.

Wie sieht dein typischer Tag als Dermatologin aus?
In der Praxis ist viel los, der Tag geht schnell vorbei. Am Morgen komme ich in die Praxis, beantworte E-Mails und schaue mir den Tagesplan an. Danach betreue ich die Patient:innen. Am Abend setzen wir uns als Praxisgemeinschaft zusammen und trinken Kaffee. Dabei besprechen wir Bilder vom Tag und administrative Fragen oder haben einfach mal Zeit füreinander. Das ist sehr schön und hilfreich. In meinem Team arbeiten erfahrene Mitarbeitende, die eher am Ende ihrer Karrieren stehen. Von dieser reichen Erfahrung kann ich sehr profitieren.

Was sind die besonderen Herausforderungen deines Fachgebiets?
Das Schöne an meinem Fachgebiet: Es ist ein sehr bildliches Gebiet. Wir haben mit verschiedenen Mustern und Strukturen zu tun. Zusatzuntersuchungen machen wir nicht so häufig, vielfach stellen wir Blickdiagnosen. Das Visuelle, Bildliche liegt mir insgesamt sehr – ich mag auch grafische Arbeiten. Die Dermatologie umfasst über 2000 Krankheitsbilder. Mit zunehmendem Wissen kann man diese immer besser zuordnen und die entsprechende Therapie planen. Es ist letztlich ein sehr praktisches Fachgebiet.

Ausserdem haben wir es mit einem ausgesprochen breiten Spektrum an Menschen zu tun – dazu gehören alle Altersgruppen und Geschlechter, vom Baby bis zum Greis. Dazu kommt, dass vieles mit einfachen Massnahmen zu behandeln ist und man schnelle Erfolge sieht. Dafür sind die Patient:innen sehr dankbar, denn der Leidensdruck ist oft sehr gross. Menschen kommen zu uns mit roten Flecken am Körper oder so starkem Juckreiz, dass sie nicht mehr schlafen können – wenn man schnell helfen kann, ist das toll.

Im Vergleich zu anderen Fachgebieten haben wir eher mehr Patient:innen, der Terminplan ist dichter. Wie wohl in den meisten medizinischen Fachgebieten muss man als Ärztin oder Arzt in kurzer Zeit eine Entscheidung treffen und stets präsent sein.

Wie hast du deine Stellen geplant? Was hat dich motiviert?
Ich habe die ganze Ausbildung in Bern am Inselspital absolviert – das war zu dem Zeitpunkt, als ich mit dem Studium begonnen habe, noch möglich. Man musste nicht zwingend die Stellen wechseln. Ich war schon als Studentin im Wahljahr dort. Das Team, die leitenden Ärztinnen und Ärzte, die Strukturen – alles war sehr praxisnah und toll. Die Forschung hat mich immer schon weniger interessiert, deshalb wollte ich eine sehr breite klinische Ausbildung – und das war zu diesem Zeitpunkt in Bern gegeben. Die Stellen sind allerdings sehr limitiert.

Was hast du richtig gemacht, um eine dieser raren Stellen zu bekommen?
Weil ich schon als Studentin da war, wusste ich, dass es mir dort gefällt. Daher habe ich mich sehr engagiert. Mit einem der leitenden Ärzte und einem Professor konnte ich einen Fall publizieren – nichts Weitreichendes, aber das hat geholfen, einen Fuss in die Tür zu bekommen. Man kannte mich also persönlich. Gerade in solchen Fächern ist es sehr wichtig, dass man schon etwas gemacht hat – ein Praktikum, eine wissenschaftliche Arbeit oder Ähnliches.

Wie kamst du dann zur eigenen Praxis?
Ich war lange am Inselspital, auch als Oberärztin. Und noch zwei Jahre am Kantonsspital in Luzern als Oberärztin, um wieder mit dem Chef zusammenzuarbeiten, der mich ursprünglich für die Derma begeistert hatte. Dann wollte ich etwas Neues machen, eine Veränderung. Der Schritt in die eigene Praxis war ein Zufall – eine meiner jetzigen Praxiskolleginnen fragte mich, ob ich ihre Nachfolge übernehmen wolle. Wir verstanden uns sofort sehr gut. Zu diesem Zeitpunkt wohnte ich in Bern, arbeitete aber in Luzern. Da kam mir eine Praxis in Bern natürlich sehr gelegen. Geplant hatte ich all das nicht, aber es hat sich gut gefügt.

In deiner eigenen Praxis trägst du auch ein unternehmerisches Risiko. Wie erlebst du das?
Ich bin gern meine eigene Chefin, das ist spannend. Auch Personal zu führen macht mir Freude. Die ganze Administration kommt zwar noch zur Arbeit an den Patient:innen dazu – im Spital haben sich andere darum gekümmert –, aber mich interessiert das, ich mache das gerne. Und auch das unternehmerische Risiko erlebe ich als interessanten weiteren Aspekt meiner Arbeit. Die Patient:innen stehen weiterhin im Mittelpunkt, und doch ist es für mich auch eine grosse Bereicherung, eigene Ziele und Strategien verfolgen zu können.

Wie geht es dir mit der Work-Life-Balance? Und wie bekommen du und dein Mann Arbeit und Kinder unter einen Hut?
Gute Frage! Seit wir Kinder haben, hat sich die Organisation x-mal verändert. Das ist nicht mit einer einmaligen Lösung erledigt, man muss immer wieder etwas anpassen. Im Inselspital hatte ich eine tolle Kita für die Kinder, heute haben wir eine Nanny. Und mein Mann, der 80 Prozent arbeitet, übernimmt auch viel. Es funktioniert gut und trotzdem ist es immer ein Spagat, selbst bei guter Organisation. Man muss jederzeit flexibel bleiben, zum Beispiel, wenn eins der Kinder krank ist.

Hast du Zeit für dich?
Ja, immer wieder. Nicht ganze Tage, aber mein Mann und ich planen zum Beispiel fixe Zeiten für Sport ein. Einer bleibt bei den Kindern, der andere hat ein paar Stunden Zeit für sich. Eben – man muss es planen.

Ist und war dein Arbeitseinsatz immer gesund?
Nein, es war nicht immer gesund. Es gibt immer mal wieder Phasen, in denen man am Limit läuft – etwas anderes zu behaupten, wäre nicht ehrlich. Manchmal gibt es sehr intensive Phasen im Beruf oder im Privaten – wenn beides zusammenkommt, dann ist es schon teilweise nicht gesund. Zum Glück bin ich sehr effizient und belastbar, das hilft sehr. Das ist nicht bei allen so. Eine gute Belastbarkeit ist für eine medizinische Karriere und eine Doppelbelastung mit Familie sicherlich eine wichtige Voraussetzung.

Würdest du deine Karriere wieder so planen oder was würdest du heute anders machen?
Bei mir war vieles nicht geplant, sondern ist einfach gut verlaufen. Ich würde mir heute genauer überlegen, was ich will und wohin ich will. Auch im Fachgebiet würde ich versuchen, früher zu entscheiden, in welchen Bereich ich mich vertiefen will. Das macht vieles einfacher. Selbst wenn es nachher anders kommt …

Welche Ratschläge gibst du jüngeren Kolleg:innen?
Ich würde empfehlen, mal einen Weg einzuschlagen, diesen für sich vor Augen zu haben und ihn zu verfolgen. Aber gleichzeitig sollte man flexibel genug bleiben, für den Fall, dass es vielleicht doch anders kommt. Man kann an einer Kreuzung auch einen anderen Weg wählen und sollte nicht unbedingt festhalten am einmal gesetzten Ziel, wenn es nicht mehr das richtige ist.

Wo willst du in zehn Jahren stehen?
Ich hoffe, ich werde dann weiterhin in meiner Praxis mit tollen Kolleg:innen an einem Strang ziehen und gute Patientenbetreuung in einem Ambiente anbieten, in dem man sich wohlfühlt.

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